Wir sind Rincklake
Porträtmalerei im Selfiezeitalter
Aktionen und Ausstellungen
19.06.-11.09.2022
Johann Christoph Rincklake (1764–1813) gilt als der bedeutendste Porträtmaler Westfalens. Seine Werke sind aus den Schlössern und Burgen des Münsterlandes,
wo sie noch immer in großer Zahl hängen, nicht mehr wegzudenken. In Münster ansässig, prägte er um 1800 die Bildniskunst dieser Region und war als Auftragsmaler für den Adel und das gehobene Bürgertum außerordentlich erfolgreich. In einer gemeinsamen Sonderausstellung erwecken das Museum Abtei Liesborn, Kulturgut Haus Nottbeck und Haus Harkotten-von Korff die Porträtmalerei wieder zum Leben und stellen sie unserer heutigen Selfiekultur gegenüber. Der Fokus liegt damit nicht allein auf dem künstlerischen Werk Rincklakes, sondern ebenso auf dem Lebensgefühl um 1800 und der besonderen Bedeutung der Literatur für die Bildniskunst jener Zeit. Dabei betrachten die unterschiedlich ausgerichteten Häuser das gemeinsame Thema aus je einem anderen Blickwinkel.
Wie gelang es Rincklake, sich derart gegen seine Konkurrenz zu behaupten, dass er noch heute als der Porträtmaler Westfalens gilt? Und wer waren eigentlich seine Mitbewerber:innen? Diesen Fragen widmet sich die Ausstellung im Museum Abtei Liesborn, die neben Werken des großen Meisters der Bildnisse auch Arbeiten seiner Lehrer und Vorbilder sowie seiner heute weitgehend unbekannten Kolleg:innen in der Porträtmalerei versammelt. Dabei wird nicht nur ein Blick auf die besondere Bedeutung Rincklakes für das Münsterland geworfen, sondern gleichfalls auf die Gedanken und Bedürfnisse einer Gesellschaft, die sich damals wie heute nach Abbildung sehnte.
Das Literaturmuseum Haus Nottbeck setzt bei seiner Rincklake-Hommage zwei Akzente. Zum einen wird Rincklakes bildnerisches Werk in Beziehung gesetzt zur Literatur seiner Zeit, wodurch seine künstlerische Arbeit teilweise in ein anderes Licht gerückt wird – vor uns steht eine Persönlichkeit, deren Schaffen zwischen Konformität, aber auch Progressivität zu verorten ist. Der zweite Akzent widmet sich dem Thema Selbstinszenierung. Während man sich um 1800 von einem Porträtmaler abkonterfeien ließ, greift man heute zum Selfie, um etwas über sich preiszugeben. In solchen Kontexten lädt das Literaturmuseum Autor:innen und Leser:innen ein, in Videoschnipseln über ihre Literaturleidenschaft zu berichten. Parallel können sich Literaturnerds mit ihrem Lieblingsbuch ablichten lassen.
Von Rincklake gemalte Porträts von Angehörigen der Familie Freiherrn von Korff sind auf Harkotten in ihrem häuslichen Umfeld zu betrachten – in dem ab 1806 erbauten klassizistischen Herrenhaus. Wer bekam die Porträts wo zu sehen? Wie haben sich die Dargestellten inszenieren lassen? Inwiefern diente ihre modische Kleidung als Statement? Besonders spannend ist, dass die Bildnisse schon damals vervielfältigt wurden und der Kommunikation dienten. Im historischen Ambiente werden die Porträtierten lebendig. Medial vermittelte persönliche Dokumente, Briefe und Gedichte machen den Besuch zu einem emotionalen Erlebnis.
Die Ausstellung wird gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, der LWL-Kulturstiftung, dem Regionalen Kultur Programm NRW und dem Münsterland e. V.